Erzählungen, 210 Seiten, Picus Verlag 2010
Zwölf Frauen, zwölf Parkscheine, zwölf Storys an einem heißen Sommertag in Wien: In einem sinnlichen Geschichtenreigen lässt uns Sabine M. Gruber teilhaben an den Leben unterschiedlicher Frauen. Sie alle verbinden auf den ersten Blick nur die ausgefüllten Parkscheine – erst bei genauerer Betrachtung erkennt man das subtile Geflecht, das die Geschichten zusammenhält.
Ein ungewöhnlich heißer Tag im Juni zwischen neun und zweiundzwanzig Uhr. In Wiener Kurzparkzonen füllen nacheinander zwölf Frauen, die einander nicht kennen und in keinerlei Beziehung zueinander stehen, jeweils einen Parkschein aus. Während die Parkscheine unaufhaltsam den Ablauf der Stunden markieren, nimmt das Leben ihrer Besitzerinnen entscheidende Wendungen - oder verpasst diese um ein Haar.
Der Tag beginnt morgens in einem Wiener Kaffeehaus mit der Begegnung eines weiblichen Fans mit seinem Star – eine erwartete Liebesgeschichte findet nicht statt. Jedenfalls nicht heute. Enden wird der Tag mit einer minuziös geplanten Abschiedszeremonie zweier Liebender – ein Trennungsplan, der ins Wanken gerät. Zumindest vorläufig. So unterschiedlich die Protagonistinnen und Protagonisten, so mannigfaltig sind die Episoden, die aufeinanderfolgen: So erweist sich der erste Arbeitstag einer Alleinerzieherin als ihr vorläufig letzter, ein einsamer alter Mann verunfallt in der Waschküche, ehe er seiner großen Liebe begegnen kann, eine junge Frau findet im Park ein schwarzes Skizzenbuch und erlebt auf der Suche nach seinem Besitzer unerwartet ein Liebesabenteuer. Das Leben, festgehalten im Rhythmus der Kurzparkzone.
"Die zwölf Protagonistinnen verbindet (neben kürzer geschnittenem Haar und länger werdender Lebensgeschichte) nur die Tatsache, an einem sengend heißen Wiener Junitag einen Kurzparkfahrschein auszufüllen – und während dieser erbarmungslos abläuft, einen entscheidenden Wendepunkt zu erleben. Susis Versuch, mit Ende 40 und nur einem Computercrashkurs in der Tasche, den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu wagen, scheitert kläglich innerhalb nur einer Stunde. Die Einladung der Schriftstellerin Selma zu einer Lesung in dubiosem Rahmen entpuppt sich in nur 15 Minuten mehr als eine jener Erfahrungen, die man vielleicht nicht freiwillig machen würde, aber im Nachhinein nicht mehr missen möchte.
Sabine M. Gruber beherrscht das Genre Erzählung perfekt, nicht nur die literarisch wohlfeilen verpassten Chancen, sondern auch die heikleren genutzten Gelegenheiten. Ein bis ins Detail durchkomponiertes Buch, dem man die musikalische Bildung der Autorin anmerkt, die Cembalo studierte und im Arnold Schoenberg Chor singt."
Kirstin Breitenfellner in Falter : Woche 48/2010 vom 1.12.2010 (Seite 21)
"Bisher ist Sabine M. Gruber vor allem durch ihre gelungenen Dokumentationen und Annäherungen an die blumig-bildhafte Denk- und Ausdruckswelt des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt ("Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten", "Mit einem Fuß in der Frühlingswiese") aufgefallen. Mit ihrem Geschichtenreigen, bei dem sie die unterschiedlichsten Erlebnisse von Frauen beschreibt, die zwischen neun und zweiundzwanzig Uhr in Wiener Kurzparkzonen einparken, beweist sie, dass auch sie selbst das literarische Handwerk versteht.
Gruber hat sich für Helga, Susi, Hedwig, Nina und die anderen Protagonistinnen viel einfallen lassen, glücklicherweise nicht zwanghaft Originelles, sondern eine abwechslungsreiche Mischung aus Alltag und Abenteuer. Liebesgeschichten bahnen sich an, scheitern oder nehmen völlig unerwartete Verläufe, ein erster Arbeitstag scheitert übel, ein Shopping-Nachmittag mit der besten Freundin wird zur Lehrstunde in Ego-Pflege.
Aus sehr unterschiedlichen Momentaufnahmen entsteht ein bunter Sommerstrauß an Geschichten, dessen Duft sich nicht deswegen so intensiv entfaltet, weil Gruber so blumig schreibt, sondern weil sie es vorbildlich versteht, ihre Figuren zum Leben zu erwecken, sie ins Schwitzen oder ins Stottern geraten zu lassen, und immer bildhaft bleibt, ob es nun ums beiläufige Prosecco-Schlürfen geht oder um den verpassten Moment, der dem Leben eine gänzlich andere Wendung gegeben hätte.
(APA/relevant.at)
Sabine M. Gruber hat in "Kurzparkzone" Figuren geschaffen, die glaubhaft aus dem Leben gegriffen zu sein scheinen. Ihre Frauenfiguren machen sich das Leben teilweise selbst schwer, da sie nicht auf ihre eigenen Kräfte vertrauen oder ihren Instinkten nicht folgen können. Ihre Figuren haben vertraute Probleme und Sorgen, hier sind keine im metaphorischen Sinne Männer vernichtenden oder ihre Umwelt unterwerfenden Machtfrauen unterwegs, sondern verletzliche, sensible, eingebildete und unsichere Frauen. Überraschend, wie Sabine M. Gruber dem Leser weit vor ihren Figuren ohne es wirklich auszusprechen die Augen öffnet, man sieht manche Wendung kommen, manche aber auch nicht.
(Roland Freisitzer, sandammeer.at)